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Tunesien
11. März 2009 - 25. März 2009
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Aktualisiert am: 26.12.16
Vierter Tag - Irrfahrt...
Sahline - Zeramdine - Bou Merdes - El Jem - Kerker - Souassi - Ouled Chamekh - Kairouan - Sidi El Hani -  Sebkhet de Sidi El Hani - Khaies - M'Saken - Ouardenine - Sahline
Karte
 

Einleitung
Tourenverzeichnis
Ankunft
Erster Tag
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Sonntag, 15. März 2009
(Alle 63 Fotos des Tages im Foto-Album als "Collage")

Nina und ich waren heute zwar bei Zeiten aus den Federn, doch irgendwie vertrödelten wir den Morgen und kamen erst um kurz vor elf Uhr weg. An der üblichen Morgenrunde durch den Garten kann es nicht gelegen haben, da wir nicht allzu viel neues zu Gesicht bekamen. Ich konnte lediglich wieder eine Französische Feldwespe (Polistes dominula) und ein Girlitz-Weibchen (Serinus serinus) Girlitz-Weibchen (Serinus serinus) ablichten - letzteres so gar überraschend gut, wenn man bedenkt, dass ich kein Teleobjektiv besitze. Mit der Fotografie von Vögeln klappte es in Tunesien deutlich besser als in Deutschland.

Am meisten hielt uns wohl das Studium der Landkarten auf. Nina wollte heute in ein Gebiet mit dem Namen "Montagne du Kerker" von dem sie scheinbar vor über zwanzig Jahren kurz gehört hatte. Ich war aber nach einem längeren Blick in verschiedene Karten der Ansicht, dass es solch ein Gebiet überhaupt nicht gibt - ob es das vielleicht früher einmal gab kann ich natürlich nicht beurteilen. Nina wollte das aber nicht glauben und so fuhren wir in Richtung Süden los. Durch das relativ dicht besiedelte und bewirtschaftete Gebiet südlich Sahline ging es über Zerarmdine und Bou Merdes nach Kerker - jedoch haben wir einige Umwege fahren müssen da unser Kartenmaterial etwas zu schlecht war und viele kleinere Straßen nicht eingezeichnet waren - zudem fehlten einige neu gebaute Strecken (die neueste Karte war fünf Jahre alt...) völlig. Ein Umstand der uns bei fast jeder Tour oft Zeit und Nerven kostete.
Wir irrten dann bestimmt eine Stunde auf kleineren Wegen um Kerker umher ohne auch nur ansatzweise eine bewaldete, hügelige Landschaft zu entdecken, ehe wir endlich zwei Polizisten der Garde National an einer großen Straßenkreuzung um Rat fragten.

Polizei sieht man übrigens in Tunesien an fast jeder etwas größeren Kreuzung (auf dem Land die Garde National in größeren Orten oder Städten die "normale" Polizei) und es wird viel kontrolliert.

Die Uniformierten waren sehr freundlich, geradezu fröhlich (eine Erfahrung die sich wiederholte) und halfen bereitwillig. Nach einiger Beratschlagung bekundeten sie, noch nie etwas von einer "Montagne du Kerker" gehört zu haben, es gibt sie nicht - was ich ja schon die ganze Zeit vermutete. Es wurde dann noch etwas gescherzt mit den Herren bevor es weiter ging. Doch wohin? Nina, nun doch endlich überzeugt war, dass es dieses Gebiet nicht gibt, schlug El Jem vor. Dort befindet sich das drittgrößte Amphitheater des Römischen Reichs (welches aber nicht von den Römern sondern von den Reichen der Stadt El Jem erbaut wurde). Mich interessierte das zwar nicht so sehr, doch dachte ich, ich müsse es zumindest einmal gesehen haben wenn ich schon hier bin. Also fuhren wir von Kerker über die P 1 weiter Richtung Süden.
Das Amphitheater ist wirklich riesig, man sieht es schon bei der Anfahrt aus einer Entfernung von etwa 10km weit aus der Stadt ragen. In El Jem angekommen steuerten wir direkt darauf zu und wurden von ohrenbetäubend lauter Popmusik empfangen: direkt vor dem Theater war Rummel, der sich nicht sonderlich von der heimischen Kirmes unterschied. Es gab Autoscooter und andere Fahrgeschäfte, Karussells und Fressbuden - nur die Musik war deutlich lauter. Ich war wirklich abgeschreckt davon und warf nur einen kurzen aber dennoch staunenden Blick auf die fast vierzig Meter hoch aufragende Fassade der Tribünen. Da El Jem sonst nichts zu bieten hat sahen wir zu, dass wir wieder weg kamen.
Wieder auf der P 1, diesmal nach Norden, machten wir einen kurzen Stopp zwecks neuer Planung. Wir entschieden uns für das Sebkhet de Sidi El Hani, dem wohl zweitgrößten Salzsee Tunesiens. Er beginnt etwa 25km nordöstlich von El Jem. Doch den Karten nach ist er von Süden nicht mit dem Auto zu erreichen, vielleicht von Osten aber nur sicher von Norden. Da wir die Ostvariante ausprobieren wollten mussten wir wenden um in El Jem auf die C 87 Richtung Kairouan zu gelangen - westlich davon lag das Sebkhet. Etwa 15km hinter Suoassi bog Nina kurz entschlossen nach rechts in eine kleine Straße ein, also in Richtung des Sees. Doch führte diese Straße überall hin - nur nicht zum Ziel. Sie schlängelte sich durch von Opuntien begrenzten Felder und Olivenhaine, führte an vielen zerstreut liegenden Anwesen vorbei und wechselte ständig die Richtung. Zudem kreuzten viele kleine befahrbare Feldwege die Strecke, so dass wir bald etwas die Orientierung verloren. An einer mit bunten Blüten übersäten Ackerböschung entdeckte Nina einige Schmetterlinge und somit machten wir erst jetzt, nach rund zweieinhalb Stunden Irrfahrt, unseren ersten richtigen Halt - es war viertel nach eins...
Während Nina sich gleich auf die "Jagd" nach den Faltern machte, interessierte ich mich zunächst für einige Gehäuseschnecken die ich dort an fast jeder Opuntie fand. Ich denke nicht, dass sie diese fressen, vielmehr suchten sie dort Schutz vor der Sonne. Dann machte ich mich auch daran von den meist hektisch umherSteppenschönbären (auch Punktbär genannt - Utetheisa pulchella) flatternden Schmetterlingen ein paar Fotos zu machen. Sie entpuppten sich als Steppenschönbären (auch Punktbär genannt - Utetheisa pulchella), einer tagaktiven Art aus der Nachtfalterfamilie der Bärenspinner. Nachdem ich der Meinung war, einige brauchbare Aufnahmen dieser hübschen Art zu haben, Pellenes spec. ? / Springspinnewidmete ich mich einer kleinen, nur etwa 4mm messenden Springspinne (meine Lieblingsspinnenfamilie). Leider war sie nicht sonderlich kooperativ und ließ mich nicht nah genug an sich heran für formatfüllende Fotos. Halbwegs gut getroffen habe ich sie dennoch. Die Bestimmung ist schwierig. Am ehesten ähnelt sie den Vertretern der Gattung Pellenes, doch die kommt anscheinend nicht in Tunesien vor - oder wurde einfach dort noch nicht beschrieben. Anders als z.B. in Europa sind in Afrika nur wenige Listen über vorkommende Insekten zu finden und viele Arten sind noch überhaupt nicht wissenschaftlich erfasst.
An Pflanzen dominierte das Blau einer Natternkopf-Art (Echium spec.). Im hübschen Kontrast dazu die silbrigen Blüten einer flach über den Boden kriechenden Silber-Mauermieren-Art (Paronychia spec.). Ich denke, es ist eine andere Art als die bei der ersten Tour gefundenen Pflanzen. Ansonsten gab es vereinzelt die leuchtend gelben Blütenstände eines mir ebenfalls unbekannten Leinkrautes (Linaria spec.) und auch erneut die Schopfige Traubenhyazinthe (Muscari comosum) zu entdecken.
Zu erwähnen ist noch eine zum Schmunzelnde Begebenheit. Während wir akribisch den Boden absuchten, zumeist in tief gebückter Haltung, wenn nicht sogar teilweise auf allen Vieren krabbelnd, stoppte hinter uns ein paar Meter die Straße hinauf abrupt eine heranbrausende Louage (das tunesische Überlandtaxi). Ein junger Mann stieg aus und trottete auf uns zu. Wir ließen uns davon nicht beirren und machten mit unserer Suche weiter. Dieser Mann blieb fast zwanzig Minuten hinter uns stehen und bedachte uns wortlos mit ratlosen, verwunderten Blicken ehe er sich wieder entfernte. Er konnte wohl nicht verstehen, was wir dort machten und hielt uns sicher für Verrückte...

Danaus chrysippus / Kleiner Monarch / Afrikanischer MonarchUnsere Weiterfahrt endete dann nur einige hundert Meter mit einem überraschendem Bremsmanöver Ninas. Sie hatte einen großen, bunten Schmetterling gesichtet, einen Kleinen Monarch, der auch Afrikanischer Monarch genannt wird. Sie parkte das Auto kurzerhand neben der Einfahrt eines etwa 60m entfernt liegenden Anwesens und versuchte ihr Glück. Ich blieb derweil im Wagen und studierte die Karte, wollte endlich einen direkten und sicheren Weg zum See planen. Da der Tunesier an sich ein neugieriger Mensch ist und man fast nirgends lange unbeobachtet bleibt, kam auch schon nach wenigen Augenblicken ein barfüßiger Mann mit weißem Hemd und schwarzer Anzugshose von etwa fünfzig Jahren den Weg vom Haus entlang auf mich zu. "Bonjour" begrüßten wir uns und ich sah dabei lauter Fragezeichen in seinem Gesicht. Leider kann ich ja so gut wie kein Französisch und konnte ihm mit meinen paar ruderalen Brocken offensichtlich nicht verständlich machen, was Nina, die derweil dem Schmetterling auf allen Vieren hinterher krabbelte, da trieb. So ging er dann nach einer freundlichen Verabschiedung mit all seinen unbeantworteten Fragen wieder zurück. Zu meiner Überraschung tauchte er nur wenige Augenblicke später wieder auf, in der Hand eine Flasche Wasser. Und diese schenkte er mir mit einer Herzlichkeit, die mich mehr als verblüffte. Während ich mich noch stammelnd vielmals bedankte, ging er auch schon wieder. Das war, abgesehen von unseren "Gastgebern", die einzige wirkliche freundliche und unbeschwerte Begegnung mit einem Tunesier und hat mich schon irgendwie berührt.

Dann ging es weiter. Ich konnte Nina davon überzeugen, jetzt nur noch nach meinen Angaben zur Strecke zu fahren. Zuerst mussten wir wieder auf die C 87 gelangen, was überraschend schnell klappte. Dort dann durch Ouled Chamekh (rechter Hand sah man ständig den See in der Ferne) und kurz vor Kairouan rechts auf die Umgehungsstraße welche uns auf die P 12 Richtung Sousse brachte. Nach etwa 19km, kurz hinter dem Ort Sidi El Hani, zweigte rechts eine kleine Straße nach Khaies (oder auch Kneis oder Khniss geschrieben) ab. Diese nahmen wir, da laut Karte von dieser Straße ein Weg direkt zum Sebkhet führen sollte. Leider stimmte die Wirklichkeit wieder einmal nicht ganz mit dem Druckwerk überein: es kreuzten viele Wege unsere Strecke - welcher da wohl der Richtige ist. Unser erster Versuch über eine immer miserabler werdende Lehm- und Schotterpiste schlug fehl. Doch schließlich fanden wir einen passenderen. Ganz nah mit dem Auto ran, wie in der Karte verzeichnet, kamen wir aber nicht. Das lag aber daran, dass der See mittlerweile stark ausgetrocknet ist. Zwar ist er immer noch riesig, doch ist das Ufer heuer mehr als sieben Kilometer weiter von dem Weg entfernt als noch 2004 - da wurde unsere Straßenkarte gedruckt. Das war an sich aber nicht weiter tragisch, sind wir doch gut zu Fuß. Wir stellten denIm Hintergrund der See Wagen am Rande auf einer mageren Wiese ab und wanderten gen See über eine Art Steppe. Diese war nichts anderes als der trockengefallene Seegrund. Anfangs unseres Adonis annua (Herbst-Adonisröschen)Weges gab es noch vergleichsweise viel Vegetation. Überwiegend Gräser, überraschend viele Adonis annua (Herbst-Adonisröschen) und eine mir unbekannte Schwertlilien-Art, aber auch zahlreiche kleinblütige, niederliegend wachsende Wicken sowie Kreuzblütler mit lila und gelben Blüten.

Völlig unerwartet kreuzte plötzlich eine Tunesische Landschildkröte Tunesische Landschildkröte (Testudo graeca nabeulensis)(Testudo graeca nabeulensis) unseren Weg. Sie ließ sich von uns nicht groß beirren und war ein sehr dankbares Motiv. Ich war mehr als beglückt von dieser Begegnung, sah ich doch noch nie in meinem Leben eine wildlebende Schildkröte!
Der Pflanzenbewuchs nahm stetig ab, je näher wir dem See entgegen kamen und hörte schließlich völlig auf. Nur noch topfebener salzverkrusteter Boden lag vor uns. DieserSebkhet de Sidi El Hani Blick in eine scheinbar unendliche Weite ohne jede Erhebung und die uns umgebende völlige Stille waren mehr als beeindruckend - ich war überwältigt! Diesen faszinierenden Anblick werde ich sicherlich niemals vergessen! Doch selbst Suchbild - Kurzflügler (Bledius spec,)in dieser doch lebensfeindlichen Umgebung fand sich ein Lebewesen: ein kleiner Kurzflügler aus der Gattung Bledius. Auf dem Foto links bekommen Sie vielleicht einen Eindruck davon, was es für ein Zufall war, dass ich ihn überhaupt entdeckte. Auf
diesem Foto können sie ihn sicherlich besser sehen. Wir wanderten eine ganze Weile dort herum ehe wir uns losreißen konnten und zurück liefen. Dabei sahen wir aus der Ferne zwei Tunesier näher kommen. Wie schon gesagt: man bleibt nirgends unbeobachtet und der Tunesier ist neugierig.

 Wieder in vegetationsreicherer Zone machte ich ein Foto eines winzigen SchwebersUsia subgenus Micrusia (Bombyliidae), der mehr an eine "Echte Fliege" erinnerte. Erst bei meinen Recherchen in Deutschland zu diesem Insekt stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine wohl noch nie wissenschaftlich beschriebene Art handelte. Es lässt sich bislang als Name Gattung Usia subgenus Micrusia sagen.

Noch ehe wir zu unserem Auto gelangten, erreichten uns die beiden Männer die wir schon seit einer ganzen Weile näher kommen sahen. Sie müssen sicherlich gut vier bis fünf Kilometer gelaufen sein, nur um zu schauen, was wir da trieben. Nina versuchte es ihnen zu erklären und unsere Wege trennten sich nach kurzer Zeit wieder. Wir traten dann die Rückfahrt an. Dabei beobachtete ich mehrere Haubenlerchen (Galerida cristata), die auf Haubenlerchen (Galerida cristata)dem Grat einer Erdaufschüttung umherliefen. Da sie sich von unserem sich näherndem Auto nicht sehr erschreckt zeigten und uns auf zehn Meter heran ließen, konnte ich die Scheibe herunterlassen und ein paar Fotos von einer machen. Tja, in Tunesien klappt das mit der Vogelfotografie...

Der Rückweg führte dann schließlich ereignislos über Khais und Ouardenine zurück nach Sahline. Insgesamt waren wir heute sieben Stunden unterwegs - davon gut fünf im Auto...

Spannendes in der NachtVor dem zu Bett gehen gab es am Fuße der Treppe noch etwas spannendes zu beobachten. Die Nester einen kleinen Ameisen-Art wurden von einer anderen,Unbekannte 11mm Ameisen-Art wesentlich größeren (um 11mm) überfallen. Dies Schauspiel ließ ich mir nicht entgehen. Ansonsten mussten auch noch Fotos eines kleinen Spanners am Türrahmen zum Entree gemacht werden. Dass ich eine große Stechmücke (Culex spec.) in meinem Schlafgemach ebenfalls erst fotografieren musste ehe ich sie ins Jenseits befördern wollte rächte sich. Denn in einem Moment Unaufmerksamkeit entfleuchte sie meinen Blicken und suchte mich später im Schlaf heim... Der Stich hat am nächsten Tag mächtig gejuckt!

   
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Stand: 26.12.16