Sonntag, 15. März
2009
(Alle 63 Fotos des Tages im
Foto-Album
als "Collage")
Nina und ich waren heute
zwar bei Zeiten aus den Federn, doch irgendwie
vertrödelten wir den Morgen und kamen erst um kurz vor
elf Uhr weg. An der üblichen Morgenrunde durch den
Garten kann es nicht gelegen haben, da wir nicht allzu
viel neues zu Gesicht bekamen. Ich konnte lediglich
wieder eine Französische Feldwespe (Polistes
dominula) und
ein
Girlitz-Weibchen
(Serinus serinus) ablichten - letzteres so gar
überraschend gut, wenn man bedenkt, dass ich kein
Teleobjektiv besitze. Mit der Fotografie von Vögeln
klappte es in Tunesien deutlich besser als in
Deutschland.
Am meisten hielt uns wohl das Studium der Landkarten
auf. Nina wollte heute in ein Gebiet mit dem Namen
"Montagne du Kerker" von dem sie scheinbar vor über
zwanzig Jahren kurz gehört hatte. Ich war aber nach
einem längeren Blick in verschiedene Karten der Ansicht,
dass es solch ein Gebiet überhaupt nicht gibt - ob es
das vielleicht früher einmal gab kann ich natürlich
nicht beurteilen. Nina wollte das aber nicht glauben und
so fuhren wir in Richtung Süden los. Durch das relativ
dicht besiedelte und bewirtschaftete Gebiet südlich
Sahline ging es über Zerarmdine und Bou Merdes nach
Kerker - jedoch haben wir einige Umwege fahren müssen da
unser Kartenmaterial etwas zu schlecht war und viele
kleinere Straßen nicht eingezeichnet waren - zudem
fehlten einige neu gebaute Strecken (die neueste Karte
war fünf Jahre alt...) völlig. Ein Umstand der uns bei
fast jeder Tour oft Zeit und Nerven kostete.
Wir irrten dann bestimmt eine Stunde auf kleineren Wegen
um Kerker umher ohne auch nur ansatzweise eine
bewaldete, hügelige Landschaft zu entdecken, ehe wir
endlich zwei Polizisten der Garde National an einer
großen Straßenkreuzung um Rat fragten.
Polizei sieht man übrigens in Tunesien an fast jeder
etwas größeren Kreuzung (auf dem Land die Garde National
in größeren Orten oder Städten die "normale" Polizei)
und es wird viel kontrolliert.
Die Uniformierten waren
sehr freundlich, geradezu fröhlich (eine Erfahrung die
sich wiederholte) und halfen bereitwillig. Nach einiger
Beratschlagung bekundeten sie, noch nie etwas von einer
"Montagne du Kerker" gehört zu haben, es gibt sie nicht
- was ich ja schon die ganze Zeit vermutete. Es wurde
dann noch etwas gescherzt mit den Herren bevor es weiter
ging. Doch wohin? Nina, nun doch endlich überzeugt war,
dass es dieses Gebiet nicht gibt, schlug El Jem vor.
Dort befindet sich das drittgrößte Amphitheater des
Römischen Reichs (welches aber nicht von den Römern
sondern von den Reichen der Stadt El Jem erbaut wurde).
Mich interessierte das zwar nicht so sehr, doch dachte
ich, ich müsse es zumindest einmal gesehen haben wenn
ich schon hier bin. Also fuhren wir von Kerker über die
P 1 weiter Richtung Süden.
Das Amphitheater ist wirklich riesig, man sieht es schon
bei der Anfahrt aus einer Entfernung von etwa 10km weit
aus der Stadt ragen. In El Jem angekommen steuerten wir
direkt darauf zu und wurden von ohrenbetäubend lauter
Popmusik empfangen: direkt vor dem Theater war Rummel,
der sich nicht sonderlich von der heimischen Kirmes
unterschied. Es gab Autoscooter und andere
Fahrgeschäfte, Karussells und Fressbuden - nur die Musik
war deutlich lauter. Ich war wirklich abgeschreckt davon
und warf nur einen kurzen aber dennoch staunenden Blick
auf die fast vierzig Meter hoch aufragende Fassade der
Tribünen. Da El Jem sonst nichts zu bieten hat sahen wir
zu, dass wir wieder weg kamen.
Wieder auf der P 1, diesmal nach Norden, machten wir
einen kurzen Stopp zwecks neuer Planung. Wir entschieden
uns für das Sebkhet de Sidi El Hani, dem wohl
zweitgrößten Salzsee Tunesiens. Er beginnt etwa 25km
nordöstlich von El Jem. Doch den Karten nach ist er von
Süden nicht mit dem Auto zu erreichen, vielleicht von
Osten aber nur sicher von Norden. Da wir die Ostvariante
ausprobieren wollten mussten wir wenden um in El Jem auf
die C 87 Richtung Kairouan zu gelangen - westlich davon
lag das Sebkhet. Etwa 15km hinter Suoassi bog Nina kurz
entschlossen nach rechts in eine kleine Straße ein, also
in Richtung des Sees. Doch führte diese Straße überall
hin - nur nicht zum Ziel. Sie schlängelte sich durch von
Opuntien begrenzten Felder und Olivenhaine, führte an
vielen zerstreut liegenden Anwesen vorbei und wechselte
ständig die Richtung. Zudem kreuzten viele kleine
befahrbare Feldwege die Strecke, so dass wir bald etwas
die Orientierung verloren. An einer mit bunten Blüten
übersäten Ackerböschung entdeckte Nina einige
Schmetterlinge und somit machten wir erst jetzt, nach
rund zweieinhalb Stunden Irrfahrt, unseren ersten
richtigen Halt - es war viertel nach eins...
Während
Nina sich gleich auf die "Jagd" nach den Faltern machte,
interessierte ich mich zunächst für einige
Gehäuseschnecken die ich dort an fast jeder Opuntie
fand. Ich denke nicht, dass sie diese fressen, vielmehr
suchten sie dort Schutz vor der Sonne. Dann machte ich
mich auch daran von den meist hektisch umher flatternden
Schmetterlingen ein paar Fotos zu machen. Sie entpuppten
sich als
Steppenschönbären (auch Punktbär genannt -
Utetheisa
pulchella), einer tagaktiven Art aus der
Nachtfalterfamilie der Bärenspinner. Nachdem ich der
Meinung war, einige brauchbare Aufnahmen dieser hübschen
Art zu haben,
widmete ich mich einer kleinen, nur etwa 4mm
messenden Springspinne (meine Lieblingsspinnenfamilie).
Leider war sie nicht sonderlich kooperativ und ließ mich
nicht nah genug an sich heran für formatfüllende Fotos.
Halbwegs gut getroffen habe ich sie dennoch. Die
Bestimmung ist schwierig. Am ehesten ähnelt sie den
Vertretern der Gattung Pellenes, doch die kommt
anscheinend nicht in Tunesien vor - oder wurde einfach
dort noch nicht beschrieben. Anders als z.B. in Europa
sind in Afrika nur wenige Listen über vorkommende
Insekten zu finden und viele Arten sind noch überhaupt
nicht wissenschaftlich erfasst.
An Pflanzen dominierte das Blau einer Natternkopf-Art (Echium
spec.). Im hübschen
Kontrast
dazu die silbrigen Blüten einer flach über den
Boden kriechenden Silber-Mauermieren-Art (Paronychia
spec.). Ich denke, es ist eine andere Art als die bei
der ersten Tour gefundenen Pflanzen. Ansonsten gab es
vereinzelt die leuchtend gelben Blütenstände eines mir
ebenfalls unbekannten Leinkrautes (Linaria spec.) und
auch erneut die Schopfige Traubenhyazinthe (Muscari
comosum) zu entdecken.
Zu erwähnen ist noch eine zum Schmunzelnde Begebenheit.
Während wir akribisch den Boden absuchten, zumeist in
tief gebückter Haltung, wenn nicht sogar teilweise auf
allen Vieren krabbelnd, stoppte hinter uns ein paar
Meter die Straße hinauf abrupt eine heranbrausende
Louage (das tunesische Überlandtaxi). Ein junger Mann
stieg aus und trottete auf uns zu. Wir ließen uns davon
nicht beirren und machten mit unserer Suche weiter.
Dieser Mann blieb fast zwanzig Minuten hinter uns stehen
und bedachte uns wortlos mit ratlosen, verwunderten
Blicken ehe er sich wieder entfernte. Er konnte wohl
nicht verstehen, was wir dort machten und hielt uns
sicher für Verrückte...
Unsere Weiterfahrt
endete dann nur einige hundert Meter mit einem
überraschendem Bremsmanöver Ninas. Sie hatte einen
großen, bunten Schmetterling gesichtet, einen Kleinen
Monarch, der auch Afrikanischer Monarch genannt wird. Sie parkte das
Auto kurzerhand neben der Einfahrt eines etwa 60m
entfernt liegenden Anwesens und versuchte ihr Glück. Ich
blieb derweil im Wagen und studierte die Karte, wollte
endlich einen direkten und sicheren Weg zum See planen.
Da der Tunesier an sich ein neugieriger Mensch ist und
man fast nirgends lange unbeobachtet bleibt, kam auch
schon nach wenigen Augenblicken ein barfüßiger Mann mit
weißem Hemd und schwarzer Anzugshose von etwa fünfzig
Jahren den Weg vom Haus entlang auf mich zu. "Bonjour"
begrüßten wir uns und ich sah dabei lauter Fragezeichen
in seinem Gesicht. Leider kann ich ja so gut wie kein
Französisch und konnte ihm mit meinen paar ruderalen
Brocken offensichtlich nicht verständlich machen, was
Nina, die derweil dem Schmetterling auf allen Vieren
hinterher krabbelte, da trieb. So ging er dann nach
einer freundlichen Verabschiedung mit all seinen
unbeantworteten Fragen wieder zurück. Zu meiner
Überraschung tauchte er nur wenige Augenblicke später
wieder auf, in der Hand eine Flasche Wasser. Und diese
schenkte er mir mit einer Herzlichkeit, die mich mehr
als verblüffte. Während ich mich noch stammelnd vielmals
bedankte, ging er auch schon wieder. Das war, abgesehen
von unseren "Gastgebern", die einzige wirkliche
freundliche und unbeschwerte Begegnung mit einem
Tunesier und hat mich schon irgendwie berührt.
Dann ging es weiter.
Ich konnte Nina davon überzeugen, jetzt nur noch nach
meinen Angaben zur Strecke zu fahren. Zuerst mussten wir
wieder auf die C 87 gelangen, was überraschend schnell
klappte. Dort dann durch Ouled Chamekh (rechter Hand sah
man ständig den See in der Ferne) und kurz vor Kairouan
rechts auf die Umgehungsstraße welche uns auf die P 12
Richtung Sousse brachte. Nach etwa 19km, kurz hinter dem
Ort Sidi El Hani, zweigte rechts eine kleine Straße nach Khaies
(oder auch Kneis oder Khniss geschrieben) ab. Diese
nahmen wir, da laut Karte von dieser Straße ein Weg
direkt zum Sebkhet führen sollte. Leider stimmte die
Wirklichkeit wieder einmal nicht ganz mit dem Druckwerk
überein: es kreuzten viele Wege unsere Strecke - welcher
da wohl der Richtige ist. Unser erster Versuch über eine
immer miserabler werdende Lehm- und Schotterpiste schlug
fehl. Doch schließlich fanden wir einen passenderen.
Ganz nah mit dem Auto ran, wie in der Karte verzeichnet,
kamen wir aber nicht.
Das lag aber daran, dass der See
mittlerweile stark ausgetrocknet ist. Zwar ist er immer
noch riesig, doch ist das Ufer heuer mehr als sieben
Kilometer weiter von dem Weg entfernt als noch 2004 - da
wurde unsere Straßenkarte gedruckt. Das war an sich aber
nicht weiter tragisch, sind wir doch gut zu Fuß. Wir
stellten den
Wagen am Rande
auf einer mageren Wiese ab und wanderten gen See über
eine Art Steppe. Diese war nichts anderes als der
trockengefallene Seegrund. Anfangs unseres
Weges gab es
noch vergleichsweise viel Vegetation. Überwiegend
Gräser, überraschend
viele Adonis annua (Herbst-Adonisröschen) und eine mir
unbekannte Schwertlilien-Art,
aber auch zahlreiche kleinblütige, niederliegend
wachsende Wicken sowie Kreuzblütler mit lila und gelben
Blüten.
Völlig unerwartet
kreuzte plötzlich eine Tunesische Landschildkröte
(Testudo
graeca nabeulensis) unseren Weg. Sie ließ sich von uns
nicht groß beirren und war ein sehr dankbares Motiv. Ich
war mehr als beglückt von dieser Begegnung, sah ich doch
noch nie in meinem Leben eine wildlebende Schildkröte!
Der Pflanzenbewuchs nahm stetig ab, je näher wir dem See
entgegen kamen und hörte schließlich völlig auf. Nur
noch topfebener salzverkrusteter
Boden lag vor uns. Dieser
Blick in eine scheinbar unendliche Weite ohne jede
Erhebung und die uns umgebende völlige Stille waren mehr
als beeindruckend - ich war überwältigt! Diesen
faszinierenden Anblick werde ich sicherlich niemals
vergessen! Doch selbst
in dieser doch lebensfeindlichen
Umgebung fand sich ein Lebewesen: ein kleiner Kurzflügler
aus der Gattung Bledius. Auf dem Foto links bekommen Sie
vielleicht einen Eindruck davon, was es für ein Zufall
war, dass ich ihn überhaupt entdeckte. Auf
diesem
Foto können sie ihn sicherlich besser sehen. Wir
wanderten eine ganze Weile dort herum ehe wir uns
losreißen konnten und zurück liefen. Dabei sahen wir aus
der Ferne zwei Tunesier näher kommen. Wie schon gesagt:
man bleibt nirgends unbeobachtet und der Tunesier ist
neugierig.
Wieder in vegetationsreicherer Zone machte ich ein Foto eines winzigen
Schwebers (Bombyliidae), der mehr an eine "Echte Fliege"
erinnerte. Erst bei meinen Recherchen in Deutschland zu
diesem Insekt stellte sich heraus, dass es sich dabei um
eine wohl noch nie wissenschaftlich beschriebene Art
handelte. Es lässt sich bislang als Name Gattung Usia
subgenus Micrusia sagen.
Noch ehe wir zu unserem
Auto gelangten, erreichten uns die beiden Männer die wir
schon seit einer ganzen Weile näher kommen sahen. Sie
müssen sicherlich gut vier bis fünf Kilometer gelaufen
sein, nur um zu schauen, was wir da trieben. Nina
versuchte es ihnen zu erklären und unsere Wege trennten
sich nach kurzer Zeit wieder. Wir traten dann die
Rückfahrt an. Dabei beobachtete ich mehrere
Haubenlerchen (Galerida cristata), die auf
dem
Grat einer Erdaufschüttung umherliefen. Da sie sich von
unserem sich näherndem Auto nicht sehr erschreckt
zeigten und uns auf zehn Meter heran ließen, konnte ich
die Scheibe herunterlassen und ein paar Fotos von einer
machen. Tja, in Tunesien klappt das mit der
Vogelfotografie...
Der Rückweg führte dann
schließlich ereignislos über Khais und Ouardenine zurück
nach Sahline. Insgesamt waren wir heute sieben Stunden
unterwegs - davon gut fünf im Auto...
Vor
dem zu Bett gehen gab es am Fuße der Treppe noch etwas
spannendes zu
beobachten. Die Nester einen kleinen Ameisen-Art wurden
von einer anderen,
wesentlich größeren (um 11mm)
überfallen. Dies Schauspiel ließ ich mir nicht entgehen.
Ansonsten mussten auch noch Fotos eines kleinen
Spanners
am Türrahmen zum Entree gemacht werden. Dass ich eine
große Stechmücke (Culex
spec.) in
meinem Schlafgemach ebenfalls erst fotografieren musste
ehe ich sie ins Jenseits befördern wollte rächte sich.
Denn in einem Moment Unaufmerksamkeit entfleuchte sie
meinen Blicken und suchte mich später im Schlaf heim...
Der Stich hat am nächsten Tag mächtig gejuckt!
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