Am 11. März 2009 bin ich zusammen mit Nina nach
Tunesien geflogen -
genauer: nach Sahline. Das liegt zwischen Sousse und
Monastir und war unser Ausgangspunkt für viele
tolle Erkundungstouren. Rückflug war am 25. März 2009.
Als
Untertitel könnte man "Tunesien - fernab des Tourismus"
schreiben, denn in den Touristenzentren waren wir im
Grunde nicht. Vielmehr stand die Natur im Vordergrund.
Dank eines Leihwagens, Ninas "tunesischen" Fahrkünsten
und etwas Vorrecherche sahen wir ein Tunesien, das
sicher nicht viele Touristen zu Gesicht bekommen. Den
erhofften Orchideenreichtum fanden wir leider nicht vor
- es war einfach noch zu früh im Jahr. Drei Arten fanden
wir dennoch.
Unterkunft
hatten wir privat in einer kleinen Villa bei Bekannten
Ninas. Sehr komfortabel und mit täglich leckerem
Abendessen.
Landschaft
Überrascht haben mich
die abwechslungsreichen und sehenswerten Landschaften
Tunesiens. Der Norden grün und liebreizend anzuschauen
wie Süd-Frankreich, das Landesinnere eher karg und
grau-braun mit teilweise wirklich faszinierenden Fels-
und Gebirgslandschaften. Gänzlich unberührte Natur fand
sich leider nicht allzu oft (zumindest in den Ecken in
denen wir waren, Tunesien hat in anderen, insbesondere
südlicheren Landesteilen sicher mehr als genug
ursprüngliche Gegenden), oft fanden sich selbst in
entlegenen Ecken ausgedehnte Olivenhaine. Wenn nicht der
Mensch selbst die Natur in Kulturland verwandelte, taten
die Millionen von Schafen die überall in kleineren oder
größeren Herden mit ihren Schäfern übers Land ziehen ihr
Übriges. Grasland gibt es fast nirgends und selbst der
mal mehr oder weniger Karge Bewuchs der Steppen,
Gariques und Marquis wird aufgefressen. Zurück bleibt
vielerorts nur - in floristischer Hinsicht - völliges
Ödland. Was nicht heißt, dass dies nicht auch oftmals
sehenswert war, landschaftlich gesehen. Ich sehe da aber
ein großes Problem in der Zukunft auf Tunesien zukommen.
Die durch die Überweidung ihrer schützenden
Pflanzendecke beraubten Böden sind der Erosion gnadenlos
ausgeliefert und in kürzester Zeit nicht mehr nutzbar -
nicht einmal mehr für Olivenhaine.
Hinzu kommt, dass (soweit ich dass beurteilen konnte)
die Wasserreserven des Landes knapper werden. Denn alle
Seen und Stauseen die wir auf unseren Touren sahen waren
teilweise bis zu fünfzig Prozent kleiner als auf unserer
fünf Jahre alten Landkarte. Am deutlichsten zeigte sich
das am Sebkhet Sidi el Hani und am Snet
Kelbia. Dort mussten wir teilweise bis zu drei Kilometer
über den trockengefallenen und ausgedörrten Seegrund
laufen bis wir ans Ufer kamen. Auch die meisten
Wasserläufe führten Kaum Wasser oder lagen völlig
trocken - und das so kurz nach dem Winter, wo ja die
meisten Niederschläge gibt. Die Wasserknappheit wird
sicherlich durch die der Erosion preisgegebenen Böden
beschleunigt, da diese kaum oder keine Feuchtigkeit
speichern können und das Regenwasser an der Oberfläche
rasch abfließt und/oder verdunstet.
Straßen
Tunesien hat ein durchaus weit verzweigtes Straßennetz,
wenn auch nur eine Autobahn, die von Nord (Bizerte) nach
Süd (Sfax) an der Küste entlang führt. Sie ist in einem
sehr guten Zustand
und der Verkehr hält sich außerhalb
der Hauptstadt Tunis sehr in Grenzen. Auch der Zustand der Hauptverbindungsstraßen (vergleichbar den heimischen
"Bundesstraßen") ist meist gut. Man muss nur immer
darauf gefasst sein, dass gerade an ihr gebaut wird und
der Belag fehlt, man also plötzlich auf einer
Schotterpiste ist - Baustellenabsicherung wie in
Deutschland gibt es nicht. Wichtige andere Verbindungsstraßen sind ebenfalls oft gut befahrbar.
Anders sieht es auf Nebenstrecken aus. Das sind meist
nur bessere, unbefestigte Feldwege. Oder auch übelste
Buckelpisten, die einen - sofern man nicht mit einem
Geländewagen unterwegs ist - schon mal zum Umkehren
zwingen.
Wegweiser gibt es an fast an jeder Kreuzung, was sehr
löblich ist. Leider ist die Beschriftung der Schilder
oft eher kreativ was die Richtung angeht und dann nicht
wirklich hilfreich. Erschwerend kommt hinzu, dass
Ortsnamen fast nirgends einheitlich geschrieben werden.
Am besten ist, man spricht die Namen laut aus und liest
auch die Beschilderung laut ab. Wenn es sich ähnlich
anhört, ist man meist auf dem richtigen Weg. Sobald man
selbst kreativ denkt und dabei die Karte studiert und
sich alle Orte darauf im Umkreis von rund 70-80km
einprägt, kommt man schon ans gewünschte Ziel. Wenn
nicht, auch nicht schlimm. Umwege sind oft wahre
Glücksfälle gewesen. Dadurch kamen wir manchmal in die
schönsten Gegenden, die wir sonst nicht zu Gesicht
bekommen hätten.
Sehr praktisch erwies sich der fast überall zu findende
Straßenverkauf von leckerem Tabouna (Fladenbrot). Der
kleine Hunger zwischendurch konnte fast immer umgehend
gestillt werden.
Menschen und
Begegnungen
Hier muss deutlich zwischen touristischen oder
städtischen Regionen und ländlichen Gebieten
unterschieden werden. Da gibt es Licht und Schatten.
1. Touristenorte und
Städte
Wirklich negativ
aufgefallen sind hier vor Allem die jüngeren (so von 13-25
Jahren) Tunesier männlichen Geschlechts - insbesondere
in touristischen Regionen. Da wird man ständig belagert,
dumm angemacht, begrapscht oder auch mit nicht immer gerade
freundlichen Worten bedacht. Weibliche Touristen,
besonders wenn sie noch nicht die vierzig überschritten
haben, werden geradezu penetrant bedrängt und betatscht
und können nur mit größter Mühe einem solchen Mob
entkommen. Dabei müssen sie dann noch froh sein, wenn
sie all ihre Habseligkeiten noch beisammen haben -
wobei, dies gilt sicher für alle Touristen. Ich konnte
mehr als einmal beobachten, dass Touristen nicht einmal
ein einziges Foto einer Sehenswürdigkeit machen konnten,
weil sie derart hartnäckig von einer kleinen Gruppe
Tunesier bedrängt wurden. Dabei scheint es eine
Spezialität zu sein, Paare so geschickt zu trennen, dass
ein Teil solch einer Gruppe den Mann abschirmt und
versucht abzuzocken, während der andere Teil die Frau
nicht nur ebenfalls abzuzocken, sondern dabei auch noch
widerlich betatscht.
Das deckt sich mit Berichten zweier Freundinnen von mir.
Die eine wurde am Strand von drei jungen Männern
bedrängt. Während zwei sie mit Worten und
Handgreiflichkeiten bis in den Intimbereich ablenkten
(sie wehrte sich zwar mit Leibeskräften und rief um
Hilfe - doch es half niemand), räumte der andere unter
ihren hilflos-verzweifelten Blicken in aller Ruhe die
Handtasche aus. Die andere wurde ähnlich bedrängt und
beklaut, nur
das es nicht am Strand, sondern in Sousse war.
Apropos "Abzocken",
dass sie überall beim Einkaufen (von Supermärkten und
Einkaufs-zentren einmal abgesehen) überteuerte Mondpreise
zahlen und dafür (bei Souvenirs) dann in der Regel nur
Fälschungen bekommen ist schon beinahe obligatorisch.
Sollten sie Schmuck kaufen wollen, kaufen sie ihn nur in
den Gold- und Silbergassen der Städte. Nur dort muss er
echt sein wenn er mit "Gold" oder "Silber" gekennzeichnet
ist.
2. Hinterland
Dort machte ich verschiedene Erfahrungen. Was einem
schnell bewusst wird ist der Umstand, dass man selbst in
den entlegensten Ecken meist nicht unbeobachtet bleibt.
Wenn man anhält und etwas wandert, um sich die Gegend
anzuschauen oder Fotos zu machen, dauert es in der Regel
nicht lange bis von irgendwoher plötzlich ein oder auch
zwei Tunesier auftauchen. Meist lösten wir wohl
Erstaunen bei den "Besuchern" aus, wenn wir so akribisch
mit unseren Fotoapparaten den Boden absuchten. Die
Begegnungen waren meist nur kurz und in der Regel
freundlich. Hauptbarriere dabei war natürlich die
Verständigung. Ich kann kein französisch und schon gar
nicht arabisch und konnte mich nicht wirklich
verständigen. Nina spricht zwar fließend französisch,
doch sprechen nicht alle Tunesier im Hinterland diese
Sprache und können nur arabisch.
Manchmal spürte man beim Durchfahren von kleineren Orten
auch eine latente Feindseligkeit. Mal sind Steine geflogen, mal wurden Fäuste gereckt oder auch
schon mal aufs Auto gehauen. Auch in diesen Fällen waren
es immer junge tunesische Männer oder auch Jugendliche.
Eine besonders schöne Begebenheit möchte ich hier nicht
unerwähnt lassen. Bei einer Tour südlich der Salzpfanne
Sidi El Hani mussten wir zwecks Kartenstudiums einen
Stopp in der Nähe eines einsamen Hauses einlegen. Wir
waren weitab von ausgebauten Straßen auf der Suche nach
einem Weg eben zu dieser Salzpfanne. Nina stieg aus dem
Auto um einen schönen Schmetterling zu fotografieren.
Ich blieb derweil im Auto und sah einen barfüßigen Mann
um die fünfzig näher kommen. Schließlich begrüßten wir
einander und ihm wurde schnell klar, dass wir uns
sprachlich nicht verständigen konnten. Er ging dann auch
wieder, kam aber nur wenige Minuten später zurück und
schenkte mir eine Flasche Wasser. Das war eine schöne
Demonstration arabischer Gastfreundschaft und wird mir
lange in Erinnerung bleiben.
Was Sie auf alle Fälle
probieren sollten ist Tabouna, das tunesische
Fladenbrot - einfach köstlich! Es wird meist von Kindern
oder seltener auch alten Frauen an nahezu allen Straßen
verkauft. Wobei man es aber im Norden, etwa ab Hammamet
deutlich seltener bekam. Mancherorts in der Mitte
standen dagegen alle 100m Kinder am Straßenrand und
reckten ein Tabouna Richtung Fahrbahn. Es kostet je nach
Region, Zubereitung und Größe des Brotes zwischen 400
und 1200 Millimes (ca. o,21-0,63 €). Beim Kauf sollten
sie nicht über den Preis verhandeln (im Gegensatz zu
Geschäften, in denen sie ein Souvenir kaufen wollen).
Die Kinder (oder alten Frauen) sind in der Regel
Angehörige von armen Berberfamilien die mit dem Verkauf
für deren Überleben beitragen. Außerdem werden sie bei
diesem "Geschäft" normalerweise nicht über den Tisch
gezogen. Die "Verkäufer" haben selten Erfahrung mit
Touristen gemacht (zumindest fernab der
Touristenzentren) und noch nicht "gelernt", diese über
den Tisch zu ziehen. Und selbst wenn, sie bezahlen dann
höchstens 100 Millimes mehr, das sind gerade mal fünf
Cent. Ich habe wohl nur ein einziges Mal diesen
Touristenaufschlag bezahlt - dafür konnte ich dann ein
strahlendes Kindergesicht sehen. Wir kauften nahezu bei
jeder unserer Tagestouren zwei Tabouna als Verpflegung.
Praktischer Weise stießen wir auch immer dann auf
Verkäufer, wenn wir gerade Hunger hatten...
Müll
Ein anderes Thema ist
Tunesiens Müllproblem. Dort, wo sich viele Touristen
tummeln, ist es oft noch halbwegs sauber, doch
außerhalb solcher Areale wird es teilweise geradezu
katastrophal. Selbst in den herrlichsten und
abgelegensten Gebieten, in schönster Natur türmen sich
Müllberge. Ich hatte beim Fotografieren meist größte
Mühe, Landschaften oder andere Motive ohne Bierdosen/-flaschen
oder Plastiktüten (das sind die Hauptbestandteile des
tunesischen Mülls in der Natur) abzulichten.
Mein Fazit:
Tunesien hat sehr viel für Touristen zu bieten. Auch
speziell für
Wanderer gibt es herrliche Gebiete. Doch solange man
als Tourist gerade bei Sehenswürdigkeiten oder in den
Städten nicht einen Schritt unbehelligt machen kann und
ständig in "Hab-Acht-Stellung" bleiben muss, kann ich
dieses ansonsten wirklich herrliche Land niemandem als
Urlaubsziel empfehlen. Besonders jüngere Frauen haben
dort mit Unannehmlichkeiten zu kämpfen und gelten nur
als Sexobjekt das man zudem noch berauben kann.
Menschen, die wie wir
eher das Land erkunden wollen, also fernab der
Touristenzentren, haben weniger dieser Probleme. Dafür
müssen sie teilweise mit Feindseligkeiten rechnen und am
Besten immer mit wachem Auge unterwegs sein.
Französischkenntnisse sind unabdingbar. Sollten Sie
besonderes Interesse an Flora und Fauna haben empfehle
ich, zwischen Mitte April und Anfang Juni anzureisen -
dann ist am meisten zu sehen. Wir mussten nur wegen
wichtiger Angelegenheiten in Tunesien, die keine spätere
Anreise duldeten, schon so früh im Jahr dort sein.
Noch ein Tipp:
Passen sie ihre Kleidung den Gepflogenheiten des
Landes an, damit sie nicht schon aus hunderten Metern
Entfernung als Tourist erkennbar sind. Also keine kurzen
Hosen, bzw.. kurze Röcke oder T-Shirts, Arme und Beine
müssen immer bedeckt sein - auch bei Temperaturen über
25°C. Tunesier laufen selbst bei großer Hitze mit
Pullover und Jacke herum - das sollten sie auch, dann
können sie mit etwas Glück ein wenig unbehelligter die
Gegend erkunden.
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